Längst überfällig: Ausbau von Schuldenberatung und –prävention

12.06.2024

Diakonie: Immer mehr Ratsuchende sind in Wohnungsnot und psychisch erkrankt, Beratungsstellen selbst in andauernder prekärer und befristeter Finanzierungslage.

Eine heute veröffentlichte bundesweite Umfrage der AG Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) bestätigt für die Region Berlin-Brandenburg: Die Zahl der Ratsuchenden aufgrund von Inflation steigt, die Anfragen von Ratsuchenden mit multiplen sozialen Problemlagen sind zum Dauertrend geworden.

Seit Jahresbeginn beraten mehr als die Hälfte der befragten Einrichtungen in Berlin und Brandenburg weiterhin die meisten Menschen aufgrund der inflationären Lebenshaltungskosten. Die Diakonie bestätigt zudem einen alarmierenden Dauertrend: Immer mehr Ratsuchende mit psychischen Erkrankungen, komplexen sozialen Problemlagen und Wohnungsverlust durch Mietschulden. Insgesamt sind in der Region über 470.000 Personen überschuldet. Tendenz steigend.

„Immer mehr überschuldete Menschen haben existentielle und gesundheitliche Probleme“, fasst Judith Körber, Diakonie-Referentin für Existenzsicherung die Berichte der diakonischen Beratungsstellen in Berlin und Brandenburg zusammen. „Viele Personen sind im Mietrückstand, verlieren ihren Wohnraum und die Beratungsstellen finden in der Regel keine Ersatzwohnungen, da es schlicht keinen Wohnraum gibt – auch in den Brandenburger Städten wird das zunehmend zum Schnittstellenthema für die Existenzsicherungs- und Wohnungslosenhilfe. Aus Schamgefühl reduzieren zudem viele Betroffene ihre Sozialkontakte, die Zahl der psychisch belasteten und erkrankten Hilfesuchenden steigt seit der Corona-Pandemie weiter an."

Überschuldung trifft insbesondere jene, die geringe Einkommen und wenig Spielraum haben. Hinzukommende Problemlagen wie z.B. Arbeitslosigkeit, Trennung/ Scheidung oder ein Unfall können das Abgleiten in einen existentiellen Notstand (materiell, sozial, gesundheitlich und psychisch) beschleunigen, wenn nicht zeitnah und niedrigschwellig beraten sowie präventiv gehandelt wird. Die Überschuldungsfälle sind in älteren Bevölkerungsgruppen (60- bis 69-Jährige und über 70-Jährige) hoch und in jüngeren Bevölkerungsgruppen (unter 30-Jährige) sogar angestiegen (Quelle: Schuldneratlas 2023).

Laut Schuldneratlas sind in Berlin und Brandenburg aktuell weit über 470.000 Personen überschuldet. Durch ihre eigene prekäre Finanzierungslage erreichen die Schuldnerberatungen bundesweit nur bis zu 15 Prozent der überschuldeten Haushalte. „In einigen Kommunen müssen Betroffene teils 12 Monate auf einen Termin zur Beratung warten. Manche Menschen haben keinen Anspruch auf kostenfreie Beratung. Andere sind mit zu hohen Barrieren konfrontiert und erreichen die Beratungsstellen nicht, da kein Bus fährt oder das Ticket zu teuer ist.“, sagt Judith Körber, Diakonie-Referentin für Existenzsicherung.

Diakonie-Direktorin Dr. Ursula Schoen: „Eine rechtzeitige und kostenfreie Schuldnerberatung kann eine Privatinsolvenz oft vermeiden. Die Beratungsstellen müssen die überschuldeten Menschen möglichst früh erreichen und die Beratungsangebote so zugänglich und verlässlich wie möglich gestalten. Es ist dafür dringend notwendig, bestehende Beratungsstrukturen politisch zu stabilisieren und zukunftsweisend auszubauen. Vor allem befindet sich die Bundes- und Landespolitik in der Verantwortung, den kostenfreien Zugang zu den Beratungsstellen zu gewährleisten. Der Anspruch auf kostenfreie Beratung ist geltendes Recht und sollte keine zusätzliche Hürde darstellen.“ Ein aktuelles Rechtsgutachten der AG SBV bestätigt, dass das Recht auf Schuldnerberatung in Artikel 36 der EU-Verbraucherkreditrichtlinie verankert ist. Diakonie-Direktorin Dr. Ursula Schoen: „Schuldnerberatung ist nicht zuletzt ein wichtiger Beitrag zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Die Beratenden helfen nicht nur qualifiziert bei Geldproblemen, sondern nehmen auch die psychosozialen Schwierigkeiten und familiären Konflikte der Klient:innen ernst. Gemeinsam mit ihnen entwickeln sie neues Selbstvertrauen.“

In der Diakonie Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz sind 48 Schuldner- und allgemeine unabhängige Sozialberatungsstellen und damit der Großteil dieser Beratungseinrichtungen verbunden.

Kontakt

Sebastian Peters

Pressesprecher und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit

Peters.S@dwbo.de 030 82097110 0173 6033322

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